| Also ehrlich, meine Freude kann nicht größer sein:
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| Dr. |
| Prillwitz lädt mich zu seinem Geburtstag ein
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| Nun, ich kenn' den exquisiten Geschmack dieses Mannes
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| Und so kauf' ich ihm 'ne Platte von meinem Freund Hannes
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| Aber wie ich sie so schön in Geschenkpapier packe
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| Da seh' ich grade noch, es klebt direkt auf Hannes' Backe
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| Unübersehbar und klebrig und weiß
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| Ein dickes Etikett und darauf steht der Preis!
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| Ich versuch' erst mal im Guten, es abzuzieh’n
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| Dann mit Nagellackentferner, dann mit Feuerzeugbenzin
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| Und ich rubbel mit dem Finger, das geht auch nicht besser
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| Ich nehm' 'nen nassen Lappen und das Schweizermesser
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| Das Etikett hält stand, aber das Foto ist kaputt
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| Die Lieder sind immer noch schön, nur die Hülle ist im Dutt!
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| Es lastet ein Fluch auf dem Etikett
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| Im Jackett, am Kotelett
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| Auf dem Kopf hinterm Brett
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| Am Brikett, am Korsett
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| Jedem Ding von A bis Z
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| Klebt es dick und fett:
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| Das Etikett!
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| Der Pullover ist echt kusch’lig und das Teil hat wirklich Stil
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| Nur lümmelt sich über die ganze Brust eine Art von Reptil
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| Also erstens war das Teil vielleicht schon 'ne Spur überteuert
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| Und jetzt lauf' ich noch als Werbung rum? |
| Ich bin doch nicht bescheuert!
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| Und nichts find' ich übler — nur mal nebenbei gesagt —
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| Als’n Promi, der für jede Scheiße Werbung macht!
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| Ich hol' den Nähkasten, Gabel, Messer, Licht und Schere
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| Wär' doch gelacht, wenn das Reptil von da nicht abzukriegen wäre!
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| Schneid' den Kettfaden durch und den Schußfaden auf
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| Den Schwanz hab' ich gleich ab, die Maschen nehmen ihren Lauf
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| Und jetzt, wo ich ganz vorsichtig das Maul anhebe
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| Geh' ich mit der Schere vorsichtig ganz nah ans Gewebe
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| Ein kräft'ger Ruck am Faden und ab ist der Lurch, Und durch das Loch über die
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| Brust kuckt jetzt mein Leibchen durch
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| Es lastet ein Fluch auf dem Etikett
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| Im Jackett, am Kotelett
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| Auf dem Kopf hinterm Brett
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| Am Brikett, am Korsett
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| Jedem Ding von A bis Z
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| Klebt es dick und fett:
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| Das Etikett!
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| Schon beim Frühstück vor den Kalorien auf der Flucht
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| Nehm' ich den Müslijoghurt mit der Bio-Dreikorn-Frucht
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| Dem Verfalldatum gilt meine erste Überlegung
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| Auf dem Becherboden steht es: Siehe Deckelprägung!
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| Doch genau darüber klebt, wo es nun gar nicht hingehört
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| Ein dreiteiliges Schild, das sehr beim Datumlesen stört
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| Mit dem Fingernagel stech' ich, während ich am ersten polke
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| Durch den Deckel und gerate mit dem Finger in die Molke
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| Beim zweiten muß ich fester drücken, weil er etwas fester sitzt
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| Ich rutsche ab, der Becher platzt, der ganze Inhalt spritzt
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| In Aug' und Ohr, auf Hemd und Tisch, auf Nase, Bart und Brille
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| Die Kinder glucksen glücklich in die plötzliche Stille
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| Und dann bricht es triumphierend heraus aus den drei’n:
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| «Also ehrlich, Papa, du ißt wie ein Schwein!»
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| Es lastet ein Fluch auf dem Etikett
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| Im Jackett, am Kotelett
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| Auf dem Kopf hinterm Brett
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| Am Brikett, am Korsett
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| Jedem Ding von A bis Z
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| Klebt es dick und fett:
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| Das Etikett!
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| Meine Frau ist schön und weil ich sie gewaltig mag
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| Verführe ich sie gern schon mal am hellichten Tag
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| Ich lock' sie auf das Kanapee und ich flüster' und ich tuschel
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| Ich rischel und ich raschel und kuschel und wuschel
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| Aber plötzlich halt' ich inne und ich sage: «Schatz
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| Was ist das, woran ich mich in deiner Bluse kratz'?»
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| Und ich stelle fest, es stört mich bei der Vorbereitung
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| Meines Tuns ein Etikett, das ist die Waschanleitung!
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| Ich reiß' dran, meine Frau sagt: «Du mußt wissen, was du willst
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| Und ist dir klar, daß du die ganze schöne Stimmung killst?
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| Und wenn du nicht bei der Sache bist, also ich kann mich zügeln!»
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| Da, jetzt hab' ich endlich ab: Nicht schleudern, nicht bügeln!
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| Hinterm Kanapee klingelt das Telefon
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| Und ein Kind kommt früher nach Haus': «Hallo, da bin ich schon!»
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| Es lastet ein Fluch auf dem Etikett
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| Im Jackett, am Kotelett
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| Auf dem Kopf hinterm Brett
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| Am Brikett, am Korsett
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| Jedem Ding von A bis Z
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| Klebt es dick und fett:
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| Das Etikett!
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| So geht das weiter, auch wir tragen alle unser Etikett
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| Mir hat man eins angeheftet, darauf steht: Der Kerl ist nett
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| — Also nicht so’n Etikett, wie ich’s im Tatort-Krimi sehe
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| Mit 'ner dicken Strippe festgebunden an der großen Zehe. |
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| Also, sicher bin ich nett, aber auch fies und gemein!
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| Und wenn ich will, kann ich ein echter Kotzbrocken sein!
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| Ja, ich stänker', und ich mecker', und ich hau' voll auf die Kacke
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| Ich bin der Abschaum, das Letzte, 'ne schlimme Schweinebacke
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| Doch so’n Etikett sitzt fest, aber das Schöne daran
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| Ist, daß ich ungestraft und nett die Sau rauslassen kann
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| Es erlaubt auf Obrigkeit und Militär zu schimpfen
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| Ich kann das ganze Kabinett und den Kanzler verunglimpfen
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| Ich spucke Gift und Galle und Geifer, Spott und Hohn —
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| «Ach ja so’n netten Kerl, den wünscht man sich als Schwiegersohn!»
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| Es lastet ein Fluch auf dem Etikett
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| Im Jackett, am Kotelett
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| Auf dem Kopf hinterm Brett
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| Am Brikett, am Korsett
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| Jedem Ding von A bis Z
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| Klebt es dick und fett:
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| Das Etikett! |