| Ich seh‘ noch, wie mein Vater aussteigt aus dem 6 Uhr 20 Vorortszug
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| Mit der abgewetzten Aktenmappe und dem grauen Mantel, den er trug
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| Jeden Abend stand ich da am Bahnhof, ich war grade neun oder zehn
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| Und ich war stolz, den staub‘gen Siedlungsweg lang neben ihm zu gehn
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| Und dann musst‘ er mir jeden Abend die immer gleiche Geschichte erzähl‘n:
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| Wie einmal alles mit uns werden würde, und da durfte kein Wort fehl‘n
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| Und immer vor der Haustür musst‘ er sagen: «Eines Tages wirst du sehn
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| Da werden wir beide hier vorfahr‘n in einem schneeweißen 51er Kapitän!
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| Und die Sitze sind aus rotem Leder und der Himmel ist wie ein Dom
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| Und der Lack glänzt in der Sonne, und überall funkelt Chrom
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| Die Motorhaube nimmt kein Ende und die Kühlerfigur blitzt
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| Und du glaubst, du würdest schweben, wenn du hinterm Lenkrad sitzt!"
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| Ich hatte eine schwarze Trainingshose und mein Vater besaß ein Paar Schuh‘
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| Aber wenn er so erzählte, dann fehlte nicht mehr viel dazu
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| Und wenn ich meine Augen schloss, dann konnte ich uns wirklich sehn:
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| Meinen Vater und mich vor der Haustür in einem schneeweißen 51er Kapitän!
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| Nun, es kamen andre Zeiten, es ging voran und irgendwann
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| Kam mein Vater dann tatsächlich eines Abends mit einem Auto an:
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| Es war ein steinalter Olympia, bei dem immer der Gaszug riss
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| Bei dem nie die Heizung ausging, im Grunde war das ein Totalbeschiss
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| Meinen Vater aber war er gut genug, das war genau seine Art
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| An sich selber immer rumzuknausern, an uns hat er nie gespart
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| Mir jede Chance im Leben geben, mich einmal auf dem Treppchen zu sehn
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| Das war es: der totale Luxus war sein schneeweißer 51er Kapitän
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| Er hat nie mehr davon gesprochen, doch ich weiß, er hat davon geträumt
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| Vielleicht war das so ein Symbol für eine Chance, die man versäumt
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| Heut würd‘ ich ihm gern einen schenken, ich weiß sogar, wo einer steht:
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| Rotes Leder, Weißwandreifen, und sogar das Radio geht
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| Mein Vater ist vor ein paar Jahr‘n gestorben, es hat nicht hingehau‘n diesmal
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| Nicht einmal auf seiner letzten Fahrt, da war‘s ein schwarzer Admiral
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| Aber wenn es einen Himmel geben sollte, dann werd‘ ich ihn endlich sehn:
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| Denn dann holt mein Alter Herr mich ab in einem schneeweißen 51er Kapitän! |