| Total erschöpft kehr ich zurück in den Kreis meiner Lieben
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| Ein Jahr lang hab' ich an dem neuen Album geschrieben
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| Frühling, Sommer, Herbst und Winter hab ich Lieder gemacht
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| Jetzt bin ich fertig jetzt will ich Beifall und zwar das es nur so kracht
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| Aber statt der Jubelschreie bei meinem Auftauchen
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| Hör ich nur ein Stöhnen «Also, wir können dich noch gar nicht brauchen
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| Und eh du hier dumm und unnütz in der Gegend rumstehst
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| Und uns nervst und allen tierisch auf den Senkel gehst
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| Setz dich nochmal an deinem Schreibtisch und schreib noch zwei bis drei lieder
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| Du bist doch grad so schön dabei, danach komm meinetwegen wieder.»
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| «Aber ich hab doch schon ein Jahr geschrieben!» |
| werf ich flehend ein
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| «Naja, dann kanns ja wohl nicht so ungeheuer schwierig sein.»
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| Schreib über die Gentomate
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| Und Silikonimplantate
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| Über die Haushaltsdebatte
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| Über die alte Fußmatte
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| Über die Kindergeburtstage
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| Über die Borkenkäferplage
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| Und hast du eigentlich schon
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| Ein Lied zur Rentendiskussion?
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| Schreib über bedrohte Wale
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| Volkers Videoskandale
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| Geißle den Verfall der Normen
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| Und die Rechtschreibungsreformen
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| Sieh mich nicht so komisch an und schreib sofort den Hammerhit
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| Über Eurofighter, Hauptstadtwahn und Transrapid
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| Ich rechtfertige mich wortreich «ich hab doch grade aber»
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| Hier gibt’s kein ja und aber und jetzt ist schluß mit dem Gelaber
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| Und komm mir nicht mit ich fühl mich ja so leer und ausgebrannt
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| Was bist du jetzt ein Profi oder bist du Dilettant?
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| Dir fällt doch sonst immer was ein, du machst doch sonst sofort aus allen
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| Dingen gleich einen Vers. Dann wird dir jetzt auch was einfallen
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| Muß ja nicht 20 Strophen haben, dann machst du’s halt mal kurz
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| Du machst doch sonst 'ne Oper aus jedem Kaninchenfurz
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| Du machst doch sonst vor gar nichts halt und gar nichts ist dir Spötter heilig
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| Jetzt stell dich nicht so an, mein Gott, jetzt sei nicht so langweilig!
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| Über alles hab ich schon geschrieben, ja aber nur fast
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| Jetz mach ein lied über all das, worüber du noch nicht geschrieben hast
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| Schreib endlich ein Lied für Dicke, über die Weltengeschicke
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| Wo bleibt deine blitzgecheite Hymne von der Bankenpleite
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| Und hast du schon die Ballade
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| Über den Krampf in der Wade
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| Von Politikergeschwätz oder Hochschulrahmengesetz
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| Wo bleibt der ultimative Song über das Positive
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| Wann kommt endlich das furchtlose
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| Chanson von der offenen hose
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| Wann kommt endlich dein Song über den Aufschwung Ost
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| Sattle deinen Pegasus und ab geht die Post
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| Also um dich herum da wimmelt es nur so von Themen
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| Und du Faulpelz druckst hier rum, wirklich, du solltest dich was schämen!
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| Dein einer Sohn jobbt jeden Abend in Fallis Restaurant
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| Dein and’rer baut in Töpfen eigenartige Pflanzen an
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| Deine Tochter büffelt Mathe und ich schinde und racke
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| Und außerdem hab ich den ganzen Haushalt an der Backe
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| Nur der Herr Dichter mischt sich unters Volk und erwartet Applaus
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| Macht auf Genie und hängt uns hier total die Diva raus
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| Zeigt intellektuelle Blässe und was durchgeistiges Morbides
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| Und macht 'nen Riesenaufriss wegen einen kleinen Liedes
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| Jetzt steh hier nicht länger rum wie ein gerupftes Huhn
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| Spitz deine Griffel und hau rein, wir haben alle was zu tun
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| Schreib offen und ohne Schonung
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| Mit der dir eigenen Betonung
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| Schreib was zum total Ablachen
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| Schreib was zum sich Sorgen machen
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| Ossis, Wessis, Besserwisser
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| Bildungsspießer, Eckenpisser…
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| Schreib, wie’s um dieses Land steht
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| Rinderwahn und Sparpaket
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| Schreib nicht nur was Niedliches
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| Schreib was Unappetitliches
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| Nicht immer nur Luftaufsichtsbaracke
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| Hau mal richtig auf die Kacke
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| Schreib meinetwegen über Hundekot und Taubendreck
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| Hauptsache wir haben dich erstmal von der Straße weg
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| Ja noch’n lied wär extrasmart
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| Mit der geballten Kraft der kreativen Leidenschaft
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| Nicht dilettantisch und nicht laienhaft
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| Du hast den Saft, später sagen alle du hast’s geschafft
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| Doch vorher schreib doch bitte noch 'n Lied
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| Vielleicht über das Leuchten unter Wasser
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| Wenn man sich des nachts das Meer von unten besieht
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| Egal was heut noch geschieht
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| Komm, schreib doch noch’n Lied
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| Ich tu immer alles, damit der Wille meiner Frau geschieht
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| Und das hab ich jetzt davon
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| Noch’n Lied! |