Und eh' mich nun der letzte Rest
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Meiner Geisteskraft verlässt
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Die, wie man in der Presse liest
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Im Grunde längst verkümmert ist
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Hab' ich noch schnell vor Toresschluss
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Von Wohlstand, Luxus und Genuss
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Von Ausschweifung ganz ausgelaugt
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Am Euter Franz Villons gesaugt
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Aus dem die Milch der Wahrheit fließt —
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Doch nur, wenn der ein Dichter ist
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Von dem er angemolken wird —
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Bei mir hat er sich nicht geziert
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So hab' ich während einer Nacht
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Dies kleine Testament gemacht:
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Sollt' ich mein Leben bald verlier’n
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Vermache ich mein krankes Hirn
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Professor Doktor Pillerman
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Der untersucht es, schlägt es dann
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Mit einer Nudelrolle platt
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Und kocht es aus bei tausend Grad
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Und legt es dann in Spiritus
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Wo es ganz fest unter Verschluss
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Weit von der Wirklichkeit entfernt
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Noch akademisch denken lernt
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In Deutschland, der Kulturnation
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Schätzt man den Dichter immer schon —
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Betrachtet man es mal genau —
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Nicht höher ein als eine Sau
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Die im Dreck nach Futter gräbt
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Verachtet wird, solang sie lebt
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Ist sie dann eines Tages tot
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Befreit man sie von Schmutz und Kot
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Deckt sich mit ihren Innerei’n
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Für lange, harte Winter ein —
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So könnt' es mir wohl auch ergeh’n
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Drum will ich, das wird man versteh’n
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Wie selbst das allerdümmste Schwein
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Zu Lebzeiten gemästet sein
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Dem Schlachter, der mir ganz zuletzt
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Das Messer an die Kehle setzt
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Dem rat' ich und auch seiner Frau
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Falls sie noch nach der Tagesschau
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Schnell einen Schlachter zeugen woll’n
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Dass sie an Sülze denken soll’n
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Und dass sie, bei gelöschtem Licht
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Ja nicht mehr tun als ihre Pflicht
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Sonst kommt als Schande für das Haus
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Noch ein Dichter dabei raus
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Doch hätt' ich meine Lieder gern
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Statt einem Schallplattenkonzern
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Unserm deutschen Volk vermacht
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Doch nimmt es, hab' ich den Verdacht
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Mein Geschenk erst gar nicht an —
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Wobei ich mich auch irren kann
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Es hält mich, bilde ich mir ein
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Längst nicht mehr jeder für ein Schwein —
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Es wurden auch schon Stimmen wach
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Die weisen mir eindeutig nach
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Dass ich ein blöder Esel sei
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Und mein Gesang I-A-Geschrei
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Doch auch als Esel will ich nun
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Den Massen was zugute tun
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Statt meiner Lieder biet' ich dann
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Meinen Kieferknochen an
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Denn Samson, denkt einmal daran
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Schlug er nicht an die tausend Mann
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Mit einem Eselskiefer tot?
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Deswegen dieses Angebot:
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Wenn sich das Volk einmal empört
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Sich gegen alle Herrschaft wehrt
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Es meinen Kiefer bei sich trägt
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Und auf bourgeoise Schädel schlägt
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Ich habe mich mit Vorbedacht
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Im Fernseh’n immer rar gemacht
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Doch weil ich auch kein Unmensch bin
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Bestimme ich jetzt, immerhin
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Sollte ich gestorben sein
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Meinen Kadaver auszuleih’n
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Für eine Fernseh-Monsterschau
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Doch achte man darauf genau
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Dass man die Leiche gut geschminkt
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In vollem Wichs, bevor sie stinkt
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Festbindet an ein Mikrofon —
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So wie EI Cid, ihr wisst ja schon
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Tot auf sein Pferd gebunden war
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Dazu soll man noch eine Schar
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Go-Go-Go-Girls engagier’n
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Die meine Verse überschmier'n
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Mit süßem «Dub-du-ah-uh-ah»
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Damit das Volk am Bildschirm ja
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Als Sahnetörtchen runterfrißt
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Was Vollkornbrot gewesen ist
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Solange ich der Bäcker war —
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Das stell' ich hier noch einmal klar
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Weil ich noch lebe, hinterher
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Juckt mich das nicht mehr so sehr
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Und nun zu jenem kleinen Mann
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Den ich nur schlecht beschreiben kann
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Weil er hier nicht genannt sein will
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Denn lieber lauert er ganz still
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Im Dunkeln, bildet sich viel ein
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Und hängt sich überall mit rein
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Dabei wiegt dieser Himmelhund
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Wenns hoch kommt, nur ein Viertelpfund
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Ich ahne, so gut kenn' ich ihn
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Dass er, wenn ich gestorben bin
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Von meinem Tode unberührt
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Sein Eigenleben weiterführt
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Wenn diese Ahnung sich erfüllt
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Begrabt ihn auf der Insel Sylt
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In Kampen am Nacktbadestrand
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Nicht allzutief im Dünensand
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Ich denke, dass ihr mich versteht
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Wenn ihr die hübschen Mädchen seht
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Im Sande sitzend, braun und nackt
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Und eine zu der andern sagt:
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«Zwar weiß ich, Hannes, dieser Schlot
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Ist schon seit einer Woche tot
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Doch könnt' ich wetten, er ist hier —
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Ich spüre was von ihm in mir…»
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Fürs erste mach' ich jetzt mal Schluss
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Obwohl ich eingestehen muss
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Dass manches noch zu sagen wär —
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Ein and’res Mal erzähl' ich mehr
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Denn ich möchte, dass ihr wisst
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Wenn dies auch mein Vermächtnis ist
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Dass ich noch lang zu leben hab'
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Bin ich dann tot, soll’n um mein Grab
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Auch jene Journalisten steh’n
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Die Schmeißfliegen so ähnlich seh’n —
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Wer fräße sich denn sonst da satt
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Wo unsereins geschissen hat?
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Für die geb' ich noch aus dem Grab
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Ganz kurz eine Erklärung ab
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Statt einer Rede lass' ich bloß
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Einen letzten Rülpser los
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Tief grollend aus dem Untergrund
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Die Hölle öffnet ihren Schlund
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Schluckt unzerkaut das Lumpenpack
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Doch weil sie diesen Fraß nicht mag
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Kotzt sie den widerlichen Schmaus
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Gleich angeekelt wieder aus —
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Ich hab' die Bande jedenfalls
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Ein- für allemal vom Hals. |
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