Ganz von wildem Wein überwachsen liegt
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Dort der Brunnen im Schatten der mächtigen Linde
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Wohl schon seit germanischen Zeiten wiegt
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Sie sommers ihren grünen Wipfel im Winde
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Verwunschen, wie von guten Geistern bewacht
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Atmet der Ort einen so tiefen Frieden
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Fern von Unglück und Not, so als hätte die Macht
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Des Bösn diesen Hof von jehr gemieden
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Heitere Stille, nur der leise Gesang
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Des Baches unter den Erlen, sie säumen
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Seinen Lauf am Fuße der Hügel entlang
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Hier leben, so wohnen, davon kann man nur träumen
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Nein, nein, nein
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Nichts hier ist das, was es vorgibt zu sein
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Fall nicht drauf rein
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Alles nur Schein, Schein, Schein
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Damals wurden hier Russen, so wird es erzählt
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Im Krieg von dem Bauern mit Peitschenhieben
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Und Fusstritten bis aufs Blut gequält
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Zur Zwangsarbeit auf die Äcker getrieben
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Die Gefangenen haben ihn dann umgebracht
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Ihm zuvor noch Jauche in den Schlund gegossen
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Ihn dann in den Brunnen geworfen, den Schacht
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Mit Schweinemist aufgefüllt und verschlossen
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In dem Brunnen liegt, unbeweint und verflucht
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Tief unten der Bauer, für immer verschwunden
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Man hat später gar nicht erst nach ihm gesucht
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Hätte ihn wohl auch nicht gern wiedergefunden
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Und der älteste Sohn trat sein Erbe an
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Hat sich an der eigenen Tochter vergangen
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Zeugte ein Kind mit ihr und hielt sie dann
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Lange mit ihrem Sohn in dem Haus gefangen
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Als er alt wurde, zahlte sie es ihm zurück
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Sperrte ihn ein, gab ihm kaum zu essen
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In Hungerfantasien träumte er von dem Glück
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Sich im Stall mit den Schweinen am Trog satt zu fressen
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Hat zu fliehen versucht, schaffte es jedenfalls
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Fast blind eines Nachts raus ins Freie zu taumeln
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Und sein Sohn sah ihn, mit 'nem Strick um den Hals
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Tot und schon kalt in der Thing-Linde baumeln
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Nein, nein, nein
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Nichts hier ist das, was es vorgibt zu sein
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Fall nicht drauf rein
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Alles nur Schein, Schein, Schein
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Auch die Tochter starb, nun gehört das Haus
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Ihrem Sohn — oder sollte ich Bruder sagen?
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Ein Neo-Nazi, baut alles um, macht daraus
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Ein Kampftrainingscamp. |
Jetzt eben tragen
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Männer panzerbrechende Munition
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Raus auf den Hof, wieder andere schaffen
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Noch mehr Kriegsgerät ran. |
Ein Teil davon
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Sind Granaten, Geschütze und Handfeuerwaffen
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Ich glaube, dass hier in den Büschen noch
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Viel mehr «Arier» auf der Lauer liegen
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Ich mache mich vom Acker, gern würden die doch
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Mal so einen wie mich vor die Flinte kriegen
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Es wird Nacht, ich umgehe im Dämmerlicht
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Weiträumig, leise die Bewegungsmelder
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Quer durch den Mais, der steht hoch und dicht
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Dann durch die Weizen- und Roggenfelder
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Tief bücken sich die Ähren im Abendhauch
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Als ob — bildlich geseh’n — sie den Hut vor mir zögen
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Als kröchen sie am liebsten vor mir auf dem Bauch
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Doch sicher nicht, weil sie mich so toll mögen
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Alles Täuschung und Lüge, nein, ich darf hier
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Einfach keinem trau’n — nein, nicht mal den Ähren
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Die buckeln doch vor jedem, nicht nur vor mir
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Auch wenn es Nazis und Kinderschänder wären
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Nein, nein, nein
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Nichts hier ist das, was es vorgibt zu sein
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Fall nicht drauf rein
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Alles nur Schein, Schein, Schein |